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Im November 2024 erscheint endlich mein Roman „Menschen der Erde“ im Verlag MTA. Aus diesem Anlass habe ich ein Interview mit mir selber geführt.
Michael, wovon handelt dein Roman?
Hm, vordergründig geht es darin um eine Adoption. Ein Kind wird aus Chile adoptiert und wächst fortan bei einer deutschen Familie auf. Es geht um die Suche nach Identität und Zugehörigkeit. Es geht um die Fäden und Verknüpfungen zwischen den drei Protagonist*innen, Flora, dem Mapuchemädchen aus Chile, Lena, der deutschen Adoptivmutter, und Monti, dem Möchtegernschamanen aus der Nachbarschaft.
Sind das die titelgebenden „Menschen der Erde“?
Auf jeden Fall, allerdings ist Menschen der Erde im engeren Sinne auch die direkte Übersetzung der Bezeichnung Mapuche, wie sich jene „Menschen der Erde“ in ihrer Sprache Mapuzungun selber nennen.
Wer oder was sind denn diese Mapuche?
Die Mapuche sind eine ethnische Minderheit im Süden Chiles und Argentiniens, ihnen wurden Land und Kultur geraubt, wie allen indigenen Menschen. Das Besondere an ihnen ist unter anderem, dass die spanischen Eroberer sie nicht im Krieg bezwingen konnten, 200 Jahre ging es hin und her, erst 1896 beendete die chilenische Armee die territoriale Unabhängigkeit der Mapuche militärisch. Ist das nicht erstaunlich? Von dieser Widerstandskraft wollte ich erzählen, die Mapuche kämpfen nämlich immer noch.
Du erzählst in deinem Roman also von einer Indigenen, du versetzt dich in ein fiktives Mapuchemädchen hinein, teilweise lässt du sie in der Ich-Perspektive sprechen. Du verwendest darüber hinaus ein formales Motiv, das du der Kultur der Mapuche entlehnst: Dein Roman besitzt sieben Kapitel, die den sieben Stufen – mit spiritueller Bedeutung – des Rehue entsprechen, jenes Kultpfahls, den die Medizinfrau der Mapuche, die Machi, beim wichtigsten religiösen Ritual hinaufsteigt.
Nun bist du ein weißer Europäer männlichen Geschlechts. Musst du dir nicht den Vorwurf kultureller Aneignung machen lassen?
Ja, das muss ich wohl. Aber ich wollte diesen Roman trotzdem schreiben, in Empathie, für Toleranz. Denn daran glaube ich. Tatsächlich kann ich verstehen, wenn jemand lieber den authentischen Bericht oder Roman eines echten indigenen Adoptivkindes lesen möchte oder den authentischen Bericht einer wirklichen Adoptivmutter, dass jetzt die Zeit für andere Stimmen gekommen ist, für weibliche, für diverse. Ich verstehe das Gerechtigkeitsmotiv und das Interesse am Neuen. Aber ich kann deshalb nicht aufhören zu schreiben und meine Geschichten zu erzählen, wie eben ich sie erzähle.
Du hast neun Jahre lang kein Buch mehr veröffentlicht, obwohl du immer weiter geschrieben hast, richtig?
Das stimmt.
Warum hat es neun Jahre gedauert?
Naja, wahrscheinlich ist es nicht allzu komplex. It’s the economics, stupid, um es mit Bill Clinton oder seinem Wahlkampfmanager zu sagen. Wahrscheinlich haben sich meine veröffentlichten Romane nicht ausreichend verkauft, ganz einfach. Und jetzt werde ich auch noch zunehmend alt.
Verbittert?
Nö, bis vor kurzem lagen drei unveröffentlichte Romanmanuskripte in meiner Schreibtischschublade. Jetzt sind es nur noch zwei. Ich freue mich sehr über dieses Buch. Und ich schreibe wie immer schon am nächsten.
„Menschen der Erde“, Roman, 354 Seiten
Lesungen:
7.11.24, Buchpremiere im Nachtasyl, Alstertor 1, gemeinsam mit Alexander Posch, „Tage zählen“
25.11.24, cohen+dobernigg BUCHHANDEL, Sternstraße 4
28.11.24, Lesebühne ZINNOBER in der Zinnschmelze, Maurienstraße 19